Case: optrel weldcap
Vom Toggenburg an die Weltspitze
Es ist das Jahr 1985, und in Wattwil stehen die Zeichen gut. Die optrel AG, ein kleines innovatives Unternehmen, entwickelt Helme mit Schutzfiltern, die sich selbständig abdunkeln und so vor Strahlung, Metallpartikeln und Gasen schützen. Damit wird die Schweizer Firma zum Inbegriff einer weltweit einzigartigen Technologie.
Doch als nach einigen Jahren die Patente ablaufen, droht das mittelständische Unternehmen in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden: Die Qualität der Produkte ist nach wie vor hochstehend — ihre Produzentin ist austauschbar geworden.
Optrel muss nicht nur seine Pionier-Position aufgeben, die Firma verliert auch ihre Identität. Der Betrieb wird von einem französischen Arbeitsschutzkonzern aufgekauft, der den Markennamen streicht. Die Verkaufszahlen werden immer schlechter. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Produktion ins Ausland ausgelagert wird — und mit der lokalen Produktionsstätte auch die fünfzig Arbeitsplätze im Toggenburg verschwinden. René und Marco Koch, Söhne des ehemaligen Gründungsmitglieds, unternehmen einen letzten Rettungsversuch und kaufen die Firma im August 2010 aus dem Mutterkonzern heraus. Sie wissen: Es reicht nicht, wieder unter dem alten Namen zu produzieren. Was optrel braucht, ist eine Innovation.
Die Brüder Koch beauftragen das Zürcher Innovationsbüro Tribecraft, sie mit einem Blick von aussen beim Kampf zurück an die Spitze zu unterstützen. Dessen Entwicklerteam führt eine Benutzungsanalyse durch und stellt fest: Das Verbesserungspotential ist enorm. Die viereckige Form des LCD-Filters stimmt selten mit dem Fokuspunkt überein. Die Folge: Tunnelblick statt Übersicht. Auch die Helme mit dem aufklappbaren Visier, eigentlich dafür gedacht, vor- und nach dem Schweissprozess auf dem Kopf getragen zu werden, sind oft unbequem und sperrig.
Die Frage bei Tribecraft: Wie können wir die Schutzmaske auf die Bedürfnisse der Kundschaft abstimmen? Statt das viereckige Filterglas weiter zu vergrössern, schlagen sie eine Maske mit eingebautem Nasenausschnitt vor, die das Sichtfeld auf 270% vergrössert, und einfach an- und auszuziehen ist. Auf den Vorschlag reagiert man bei optrel mit ungläubigem Kopfschütteln. Marco Koch erinnert sich: „Wir dachten: Jeder von uns kennt das Problem. Warum sind wir nicht selber darauf gekommen?“
Gemeinsam mit optrel entwickelt Tribecraft ein Produkt, das sich auf dessen Kernkompetenz, die Filtertechnologie, zurückbesinnt und gleichzeitig im Bereich Komfort neue Massstäbe setzt: Eine Schutzmaske in Baseball-Cap-Form und mit Stoffbezug; waschbar, faltbar, einfach an- und auszuziehen. Als optrel diese an der Messe für Schweisserinnen und Schneider präsentiert, dem wichtigsten Anlass der Branche, wird sie als Sensation gefeiert. Plötzlich interessieren sich nicht mehr nur Fachleute für Schweisstechnik für optrel, sondern auch alle anderen. Zeitgleich erschliessen sich neue Märkte: Hochspannungselektriker erkundigen sich nach einer angepassten Version der Maske. Das Schweizer Unternehmen erhält dank der Maske nicht nur die gewünschte Aufmerksamkeit; es positioniert sich auch wieder als führend in Innovation. „Wir haben erst kürzlich einen Expertenhelm auf den Markt gebracht, der auf dem Schutzfilter mit dem Nasenausschnitt aufbaut“, sagt Marco Koch und fügt an: „Als wir Tribecraft beauftragten, erhofften wir uns einen Blick von aussen und eine Sensation. Bekommen haben wir beides.“